Neues in der Kategorie Ärgernis des Tages

In vielen Online-Foren ist man zur Zeit entsetzt: Tena, eine Firma, die sich dem diskreten Umgang mit der Blasenschwäche gewidmet hat, macht gerade Fernsehwerbung. Das allein ist ja noch kein Aufreger, aber darin ist offenbar die Rede von, sinngemäß, "über 30 sein und dank Tena active trotzdem noch am Leben teilnehmen können". Das ist ziemlich unverschämt, und ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, die anvisierte Zielgruppe zu verärgern.

Wenn man jetzt schon mit 30 Jahren ein Senior ist für die Werbung, kann es eigentlich nur noch abwärts gehen. Denn mit Senioren hat nicht nur die Werbung so ihre Schwierigkeiten. In Ausgabe 4/09 der Zeitschrift brand eins sagt Per Breuer von der Unternehmensberatung Roland Berger:

"Die Welt der Alten ist gefühlt noch weit weg. Unternehmen probieren vielleicht mal etwas aus; dann kommt letztlich nur so etwas wie ein klobiges Seniorenhandy heraus, das keiner kauft. So gibt es keine guten Vorbilder, also auch keine Nachahmer. Am Ende herrscht weitgehend Stillstand."

Und das, obwohl die Kaufkraft der über 50jährigen (die im Übrigen mit dem Begriff "Senior" auch noch ein Problem haben) bei über 700 Milliarden Euro jährlich liegt, so brand eins. Ein wichtiger Tenor des Artikels ist eine Erkenntnis, die Verfechter der Barrierefreiheit seit Jahren zu vermitteln versuchen: Was ältere Leute einfach und gut finden, das kommt auch anderen Zielgruppen zunutze. Zum Beispiel in der Technik: was leicht zu bedienen ist, das finden alle gut.

Es ist schon allein aufgrund der demografischen Realität notwendig, mehr über Einfachheit und Verständlichkeit nachzudenken. Aber nur, weil wir alle immer älter werden, heißt das nicht, dass wir mit 30 schon alt sind. Also, Tena: vielleicht noch mal Hausaufgaben machen.

Als Informationsdesignerinnen beschäftigen wir uns natürlich auch mit Icons und ihren Bedeutungen. Andere anscheinend nicht. Denn wär käme auch bei diesem Icon auf den Gedanken, es könnte sich hierbei um eine Vorschau handeln?

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Auch wenn ich lieber nicht über sehgeschädigte Autofahrer nachdenken möchte - dieser Heise-Artikel führt ein paar Zielgruppen auf, die bei der neuen Online-Variante des Formulars für die Abwrackprämie leider vergessen wurden. Mal wieder, muss man wohl sagen - denn barrierefreie Formulare sind immer noch keine Selbstverständlichkeit. Doppelt unangenehm ist, dass es sich um ein Angebot einer Behörde handelt. Und die haben eigentlich bestimmte Richtlinien in Bezug auf Barrierefreiheit zu erfüllen. Dass dies nicht immer so klappt, darüber hat das Perl-Blog vor einiger Zeit schon ausführlich berichtet.
 
In einem Newsletter erreichte mich heute diese hübsche doofe Wortschöpfung:

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Das ist Werbung zum Abwracken, Leute...
Ein Magazin aus München hat eine Agentur engagiert, für sie Interessenten an Artikeln zu akquirieren. Kostet nur 7000 Euro. Ist doch günstig, oder? Dafür steht dann auch dort, dass man erfolgreich ist. Die FAZ schrieb mal, dass man das auch "Produktionskostenzuschuß" nennt... :)
Ich weiß gar nicht, ob wir uns geschmeichelt fühlen sollen oder ob die größenwahnsinnig sind, UNS anzurufen... :)

Ich bin sprachlos. Ehrlich.
 

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Ist das nun einfach schlechter Journalismus oder mangelhafte Adaption eines Textes fürs Web?

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Jedenfalls fällt es schwer, einen Zusammenhang zwischen "Guilaume Depardieu ist tot", "hatte eine Virus-Infektion" und "war lange nicht mit dem Erfolg des Vaters klargekommen" zu sehen. Abgesehen davon ist der Text auch sonst nicht gerade ein Meisterstück. Und ganz zum Schluß gibt's auch noch falsche (französische) Anführungszeichen. Seufz.

Dazu sehr schön auch noch das hier: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/schlechter-online/

Kleiner Tipp... so vielleicht nicht unbedingt: Nachfolgend ein nur um den Namen des Unternehmens gekürzter E-Mail Newsletter, für dessen Komplett-Ansicht man ungefähr fünf mal scrollen musste. Natürlich, ohne hinterher irgendwie schlauer zu sein, was das alles eigentlich soll.

 

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Noch mehr sinnlose Werbung gibts hier!

UPDATE: Bitte die Kommentare beachten. Offenbar wird an der Webseite gerade wieder herumgeschraubt... Mittlerweile funktionieren alte Links wieder, führen aber auf die URL www.dwd.de, was auch nicht gerade optimal ist. Die Inhalte, die gestern noch da waren, sind nun wieder verschwunden. Unschön, immerhin wurde die neue Webseite schon reichlich in den entsprechenden Wetterforen besprochen...

 

 

Webseiten verändern sich ständig. Neue Inhalte, ein überarbeitetes Layout, mehr Navigationspunkte und neue Funktionen – all das ist Alltag. Der Deutsche Wetterdienst  (DWD) hatte schon sehr lange angekündigt, dass seine Webseite erneuert werden sollte. Die war in der Tat nicht besonders schön, erfüllte aber eine wichtige Funktion, und die recht gut: Mit wenigen Klicks die Warnungen des DWD übersichtlich anzubieten.

Nun ist es geschafft, die neue Webseite ist endlich online. Eingebunden in die Seite der übergeordneten Behörde, das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und auch an deren Layout angepasst. Hört sich gut an? Vielleicht. Ist aber nicht unproblematisch.

Was ist schiefgelaufen? Ein großer Fehler ist der Umgang mit der alten DWD-Webseite und damit mit all den Nutzern, die diese Seite in ihre Lesezeichen aufgenommen haben; mit allen Webseiten, die diese Seite verlinkt haben und mit allen Suchmaschinen, die diese Seite gespeichert haben. Warum? Weil man das hier niemals machen sollte...

dwd_fehler.gif

URLs sollten möglichst nicht verändert werden. Wenn es doch nötig werden sollte, dann muss ein Redirect erfolgen. Sicher, man könnte in diesem Fall argumentieren, dass die Seitenstruktur gewachsen ist, es neue Inhalte gibt und die alte Seite ( es handelt sich hier übrigens um die Seite mit den Wetterwarnungen!) in dieser Form einfach nicht mehr existiert. Allerdings: das sind Überlegungen, die VOR dem Relaunch einer so wichtigen und so stark frequentierten Seite wie der des Deutschen Wetterdienstes erfolgen müssen. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die den Nutzern entgegenkommen. Es ist nicht sehr nutzerfreundlich, relativ einfache URLs wie http://www.dwd.de/de/WundK/Warnungen/index.htm

plötzlich zu

http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop/?_nfpb=true&_windowLabel
=T14600649251144330032285&_urlType=action&_pageLabel=
_dwdwww_wetter_warnungen_warnungen&WEEKLY_REPORT_VIEW=
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SEL=true&STATIC_CONTENT_VIEW=false&WARNING_TYPE=0&
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werden zu lassen...*

Ein Seiten-Relaunch verlangt dem Nutzer unter Umständen einiges ab. Ein neues Layout, neue Navigationsmöglichkeiten, eine andere Anordnung bereits gewohnter Elemente - all das erfordert eine gewisse Einlernzeit für den Nutzer, um mit der neuen Seite zurechtzukommen. Dem kann man entgegenwirken, wenn man die neue Seite so strukturiert und gestaltet, dass sie der Erwartungskonformität entspricht und dem Nutzer die Umgewöhnung erleichtert. Ansätze dafür sind bei der DWD-Webseite durchaus vorhanden: Inhalte sind gruppiert und deutlich voneinander abgegrenzt:

dwd_übersicht.gif


Die Navigationsstruktur hingegen ist nun nicht mehr so leicht zu durchschauen. Eine ellenlange Navigation über zwei Zeilen, bei der einzelne Bereiche nicht so deutlich gruppiert sind – so haben alle Navigationspunkte die gleiche Wertigkeit, obwohl sie verschiedenen Nutzergruppen zuzuordnen sind.

Die Inhalte sind insgesamt wesentlich umfangreicher geworden. Dabei besteht oft die Gefahr, unübersichtlich zu werden. Eine grundsätzliche Hürde bei der Strukturierung von Webseiten liegt darin, ein gutes Konzept zu erarbeiten. Dazu gehört eine gründliche Sichtung der Inhalte, die auf der Webseite angeboten werden sollen, ihre sinnvolle Kategorisierung und Gruppierung und auch, Inhalte gegebenenfalls zu kürzen oder ganz zu streichen. Nicht jede Information, die ein Unternehmen bereithält, ist für den Nutzer relevant. Andersherum kann es vorkommen, dass interessante Informationen nur noch schwer gefunden werden, weil sie sich nicht eindeutig einer Kategorie zuordnen ließen und nun unter Themen zu finden sind, wo der Nutzer sie zunächst nicht vermuten würde.

Apropos nicht vermuten – man sollte eigentlich annehmen, dass ein Webseiten-Relaunch zu einer moderneren und professionelleren Optik führt (wer die alte DWD-Seite kannte, wird wissen, was ich meine). Sicher, professioneller sieht sie jetzt schon aus. Aber moderner? Bilder mit abgesoftetem Rand sind weder besonders hübsch noch besonders modern. Auch sonst wirkt die Seite nicht gerade sonderlich frisch. Teilweise ist das natürlich dem Rahmen geschuldet - die Umgebung der Ministeriums-Seite, das hier verwendete Content Management System. Dass layouttechnisch mehr möglich ist, zeigt jedoch gerade die Webseite des BMVBS, die ein deutlich moderneres Design hat.

Es gibt noch eine ganze Reihe an Kleinigkeiten, die den Relaunch der DWD-Seite nicht gerade zu einem Meisterstück machen - nicht valides HTML, inkonsistente Darstellung einzelner Bereiche (Wegfall der Navigation auf Unterseiten), ungewöhnliche Navigationsmöglichkeiten innerhalb der Portlets und deren inkonsistentes Aussehen:

portlet.gif

Einige dieser Kästen besitzen einen Button, der die gleiche Funktion hat wie das [mehr] unter den Texten; allerdings haben nicht alle Kästen diese Buttons. Ruft man diese Funktion auf, werden die Inhalte im mittleren, dem Inhaltsbereich angezeigt und haben nun rechts oben einen neuen Button, mit dem diese Inhalte wieder geschlossen werden können. So gelangt man zur vorherigen Seite zurück.

Fazit: Neu ist nicht immer besser. Ein durchdachtes Konzept sorgt von Anfang an für eine professionelle Herangehensweise. Probleme wie die fehlende Redirection von Links treten so gar nicht erst auf. Noch besser ist es, wenn Usability-Maßnahmen den Relaunch der Webseite begleiten. 

 

* Umbrüche manuell eingefügt, die URL sprengt den Rahmen... ;)